Mittwoch, 5. Dezember 2018

Was tun, wenn der Flug ausfällt?


Dieses Jahr hat uns unsere Reise  auf die Azoren verschlagen. Den ausführlichen Bericht gibt es hier im Blog zu lesen. Allerdings hatten wir diesmal den ersten Fall, dass unser Hinflug gestrichen wurde – der Flieger war defekt und konnte von Ponta Delgada (Sao Miguel) nach Frankfurt nicht starten. Wir saßen also einen Tag am Flughafen Frankfurt fest.

Heute gibt es unseren Erfahrungsbericht über die Forderung einer Ausgleichszahlung bei Flugverspätung nach Artikel 7 der Verordnung EG 261/2004 - und zwar in voller Höhe, wenn man es selbst übernimmt.

Was genau passiert denn nun?
Die Fluggesellschaft hat dafür Sorge zu tragen, dass es dem Passagier „gut geht“. Zunächst gab es einen Gutschein für die Verpflegung, welche direkt am Flughafen einzulösen ist. Die Höhe richtet sich nach dem angemessenen Verhältnis zur Wartezeit. Wir bekamen 5 € pro Person – Wartezeit betrug gut 5,5 Stunden.

der Gutschein wurde für ein Softeis und ein Getränk eingelöst

Da der Flug um einen Tag verschoben wurde, war klar, wir müssen hier übernachten. Auch darum muss ich die Airline kümmern, inkl. Verpflegung vor Ort. Dazu kommt der Transfer zwischen Flughafen und Unterkunft. Wir kamen für eine Nacht in einem Hotel in Bad Kissingen unter - bekamen Abendbrot und Frühstück.

wir kommen aus Bad Kissingen zum Flughafen Frankfurt zurück

Natürlich muss die Airline die Beförderung „nachholen“ bzw. einen Ersatz bieten. In unserem Fall: Abflug genau 24 Stunden später.

Wie verhalte ich mich als Reisender?
Dokumentieren – und zwar am besten alles! Schließlich hat man das Handy mit Kamerafunktion dabei. Was viele nicht wissen, man hat Anspruch auf Ausgleich und Unterstützung bei Nichtbeförderung durch die Fluggesellschaft. Das regelt die EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004. Grundvoraussetzung ist natürlich zunächst die bestätigte Buchung durch die Airline und das rechtzeitige Eintreffen am Check-In-Schalter.

Allerdings sollte man seinen Anspruch auch beweisen können. Durch das Schreiben des Blogs sammeln wir automatisch Informationen. Der erste Hinweis auf den Flugausfall kam per SMS. Der zweite Fakt: wir haben die Abflugtafel am Flughafen fotografiert, auf dem man den gestrichenen Flug erkennt. Wichtig: die Original ausgestellten Flugtickets (wir hatten e-Tickets) für den Tag aufheben. Später bekommt man erneut Tickets für den Ersatzflug – die Bordtickets. So hat man schon die beiden Abflugdaten bewiesen. Am Airline-Schalter sollte man sich sofort den Ausfall bestätigen lassen. Wir bekamen am Tag des Abfluges die Bestätigung und ein Schreiben mit einer Übersicht über die „Regulierung für nicht akzeptierte Passagiere“ – also die Fluggastrechte. Der Erhalt wurde uns schon am Vortag zugesichert. Darauf sollte man unbedingt achten.

der mit rot markierte Eintrag ist unser Flug - der einzige mit dem Status "cancelled"

Bestätigung der Airline für den Flugausfall




Infoblatt mit Hinweisen zu den Fluggastrechten


Flugverspätung – Entschädigung (selbst) einfordern

Es gibt mittlerweile unzählige Online-Entschädigungs-Portale, die versprechen die entsprechenden Summen einzufordern. Sie werben mit Schnelligkeit, Einfachheit und Unkompliziertheit – dafür nehmen sie ca. 25 – 40 % der erhaltenen Rückerstattung ... kurzum: sie verdienen Geld mit der Bequemlichkeit der Leute.

Also was tun: Recherche im Internet – Informationen sammeln!
Sobald ich zu Hause war, habe ich mich schlau gemacht und beschlossen, es zunächst auf eigene Faust zu probieren. Sollte das nicht funktionieren, blieben immer noch die Online-Entschädigungs-Portale. Das Internet macht es leicht und ich hatte nach kurzer Zeit eine „Anleitung“ und Muster für die Schreiben gefunden. Hier nun die einzelnen Schritte, wie ich vorgegangen bin.

1. Schritt: Herausfinden - ab wann steht mir eine Ausgleichszahlung zu?
Das war einfach – ich hatte das am Flughafen ausgehändigte Infoblatt der Airline vor mir liegen. Im Internet können die Fakten leicht nachgeprüft bzw. sich ergänzend informiert werden.

Die finanzielle Entschädigung greift bei Direktflügen und bei Reisen mit Anschlussflügen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind – es müssen alle 4 folgenden Punkte zutreffen:
  1. das Flugzeug verspätet sich um mind. 3 Stunden bei Abflug und/oder Ankunft
  2. die Ursache der Verspätung liegt in der Verantwortung der Fluggesellschaft
  3. der Flug ist in einem Land der EU gestartet oder gelandet
  4. die Airline hat ihren Sitz in der EU


Genau das traf auch auf uns zu, wobei der Punkt der Ursache zu beachten ist. Den gestrichenen Flug muss die Airline definitiv selbst verschuldet haben. Gründe könnten ein technisches Problem sein, Reparatur am Flieger, Verspätung des Flugzeugs, technische Schwierigkeiten am PC, Terminal, ... oder sogar fehlendes Personal.
Unser Flieger hatte ein technisches Problem und konnte in Sao Miguel gar nicht erst starten – er kam in Frankfurt nicht an.

das Flugzeug ist repariert und wir fliegen genau 24 h später los


Es gibt allerdings die sogenannten außergewöhnlichen Umstände – dafür muss die Airline nicht einstehen: Flugverschiebung aufgrund schlechtem Wetter, Streik, Flughafen geschlossen, Polizeieinsatz usw.

Hinweis: Wir hatten keine Pauschalreise gebucht. Hier liegt der Sachverhalt etwas anders.  Aber Ansprüche stehen dem Reisenden trotzdem  zu.

 

2. Schritt: Berechnen - welche Höhe der Entschädigung steht mir zu?

Auch das stand bereits auf dem Infoblatt.

Die Entschädigung ist nach Flugkilometern gestaffelt:
  • 250 € pro Person bei allen Flügen bis 1500 km
  • 400 € pro Person bei allen Flügen zwischen 1500 und 3500 km
  • 400 € pro Person bei allen Flügen über 1500 km innerhalb der EU
  • 600 € pro Person bei allen Flügen über 3500 km

Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach der Entfernung zum Zielort: der Luftlinie (Großkreisentfernung). Die tatsächlich zurückgelegte Strecke spielt keine Rolle. Hat man einen Hobby-Flugsimulator-Piloten neben sich sitzen, ist die Entfernung schnell herausgefunden: von Frankfurt nach Ponta Delgada beträgt die Strecke 3032 km – macht demnach 400 € pro Person.

Luftlinie

Die Entfernung kann man einfach im Internet herausfinden. Die Online-Entschädigungs-Portale können ein erster Anlaufpunkt sein. Man gibt Abflug- und Zielflughafen ein und lässt es sich ausrechnen.

3. Schritt: Muster – wie sieht das Anschreiben aus?
Recherche: ca. 1 h
Schreiben verfassen: 30 - 40 Minuten
Anhänge kopieren bzw. einscannen: ca. 15 Minuten
Tag: 4. September 2018

Das Muster habe ich einfach im Internet herausgesucht. Es gibt viele verschiedene Muster und Vorlagen gratis zum Herunterladen. Ich habe mir einige angesehen und dann meins daraus entwickelt. Wichtig ist, das Schreiben ohne Schnickschnack und Ausschweifungen zu formulieren – sozusagen „knallhart“. (Wobei mir die Sachbearbeiterin, die immer freundlich geantwortet hat, dann doch Leid tat.) Einfach die Fakten auflisten und fertig. An die Anhänge (Beweise) denken: Bestätigung über Flugausfall, welche wir am Flughafen erhielten, das Original-Flugticket (e-Ticket), das Flugticket vorm Schalter für den Ersatzflug.

Ich habe die Forderung per Mail gesendet, da ich nicht per Post schreiben wollte. Eine Internetadresse für ein Online-Formular hatte ich nicht.  Die Mailadresse stand auf der Flugausfall-Bestätigung. Das Schreiben habe ich als PDF zusätzlich dem Anhang beigefügt. Außerdem habe ich um die Kontaktdaten des korrekte Ansprechpartners gebeten, sowie die Bestätigung über den Eingang der Forderung.

Als Zahlungsziel habe ich 14 Tage veranschlagt und mir im Kalender eingetragen – und noch eine Woche als Reserve dazu gegeben. „Droht“ man weitere Schritte an, sollte man sie bei Bedarf wahr machen ... ich habe es leider nicht geschafft.

Viele Airlines haben auf ihrer Internetseite die entsprechenden Formulare, in dem man seine Daten und die Forderung eintragen kann. Meist findet man sie nach längerer Suche ... bei SATA Azores Airlines gibt es sie auch, nachdem ich die Webseite (viel später) herausgefunden hatte.

Schickt man seine Forderung per Post, dann würde ich ein Einschreiben empfehlen. Damit wir der Erhalt dokumentiert.

Dann abwarten: am gleichen Tag erhielt ich eine E-Mail mit der Bestätigung über den Eingang. Der Ansprechpartner war zunächst eine Sachbearbeiterin aus dem Verkauf ... und nun hatte ich auch ein korrekte Mailadresse zum Schreiben – meine Mail wurde nämlich an die entsprechende Stelle weitergeleitet. Mir wurde versichert, dass sich schnellstmöglich um mein Anliegen gekümmert wird. Meine selbstgesetzte Frist konnte ich allerdings nicht einhalten – also vergingen geschlagene 8 Wochen!

der Eingang der Forderung wird durch die Airline bestätigt

 4. Schritt: 1. Mahnung – dezente Erinnerung
Aufwand: ca. 20 Minuten + 5 Minuten
Tag:  31. Oktober 2018

Das Anschreiben habe ich kopiert und in eine 1. Mahnung umgeschrieben. Das Zahlungsziel habe ich auf 10 Tage verkürzt. Für die Antwort vom 4. September habe ich mich kurz bedankt – Höflichkeit muss sein.

Am gleichen Tag erhielt ich eine Antwort. Es wurde mir mitgeteilt, dass der Geschäftsführer (an ihn wurde die Mail weitergeleitet) diese Woche in Urlaub sei. Sobald er im Büro ist (ab 5. 11.), wird mein Anliegen umgehend geprüft, ob die Ausgleichszahlung genehmigt wurde und veranlasst werden kann.

man bemüht sich - aber es dauert eben und ich warte ab

Am 8. November habe ich per Mail nachgefragt, wie der aktuelle Stand ist – diesmal gab es keine Reaktion. (War keine Absicht, die Antwort kam Tage später doch noch).

5. Schritt: 2. Mahnung – ich bin sauer!
Recherche: ca. 20 Minuten
Schreiben verfassen: ca. 15 - 20 Min.
Tag: 15. November 2018

Es sind Tage vergangen – keine Antwort ... und ich bin echt sauer. Die Frist war abgelaufen – was nun?

Also habe ich noch einmal kurz recherchiert und nachgelesen, was nach der Mahnung kommt. Jetzt blieben nur noch rechtliche Schritte. Leider hatte ich sie vergessen, in der ersten Mahnung zu erwähnen. Also Plan B einschieben: 2. Mahnung schreiben. Hier habe ich allerdings die rechtlichen Schritte nicht angedroht, sondern gleich benannt, was ich als nächstes tun werden ... und das ich sie umsetze.

Die E-Mail habe ich damit begonnen, meinen Unmut über die Situation kund zu tun und das ich sehr verärgert bin. Allerdings hier niemals beleidigen oder ausfallend werden – immer sachlich schreiben! Danach folgte dieser Text:

„Ich bitte Sie höflich und diesmal mit Nachdruck, meiner Forderung bis zum 20. November 2018 nachzukommen. Sollte ich erneut keine Reaktion erhalten, werde ich die Schlichtungsstelle des Öffentlichen Personennahverkehrs einschalten bzw. die Entschädigung (Forderung für eine Ausgleichszahlung) per gerichtlichem Mahnverfahren einfordern. Ich werde nicht zögern, diese Wege zu nutzen.“

Klingt ziemlich hart und ich hatte fast schon ein schlechtes Gewissen. Immerhin antwortete die Sachbearbeiten immer höflich und korrekt.

Einen Tag später kam die Antwort per Mail des Geschäftsführers: „Wir haben von SATA die Genehmigung erhalten, den Betrag von € 800 auszuzahlen.“ Ich möge noch die korrekte Bankverbindung zusenden ... hatte ich beim Kopieren nicht aufgepasst und die letzten beiden Nummern der IBAN fehlten ... so ein Mist.

diesmal antwortet der Geschäftsführer selbst

Kurz erklärt: SATA hat ihren Sitz in Ponta Delgada (Sao Miguel). Ich habe hier mit der Airpass GmbH hin- und hergeschrieben. Sie vertreten SATA in Deutschland – so eine Art Niederlassung oder ähnliches ... vermute ich. Sie mussten also ständig Rückfragen an die SATA stellen.

Am 19. November 2018 kam die verspätete E-Mail der Sachbearbeiterin mit dem Hinweis, dass die Zahlung genehmigt und veranlasst ist. Außerdem hat sie sich nochmals für die Unannehmlichkeiten und das lange Warten entschuldigt ... fand ich echt nett -  habe ihr geantwortet und mich bedankt.

die Sachbearbeiterin meldet sich extra noch einmal und bestätigt die Auszahlung
 
Und so kam es, dass am 19. November 2018 auf meinem Konto 800 € ankamen. Die Reisekasse freut sich!

Auszug aus dem Online-Kontoauszug
 weitere Schritte, wenn die Airline nicht zahlen will
1a) Schlichtungsstelle des Öffentlichen Personennahverkehrs einschalten
Die Aussichten stehen gut und es ist kostenfrei. Infos gibt es auf der Webseite der Schlichtungsstelle.

1b) weitere Anlaufstellen aufsuchen
Man kann sich beim ADAC, einer Rechtsschutzversicherung oder der Verbraucherzentrale weitere Infos besorgen bzw. beraten lassen. Hat man über ein Reisebüro gebucht, auch dort mal nachfragen.

2) gerichtlichem Mahnverfahren besorgen
Auch wenn es kompliziert klingt, sollte man sich trauen! Jeder kann ein Mahnverfahren beim Amtsgericht des Wohnortes beantragen. Einfach mal direkt vor Ort nachfragen – die Mitarbeiter helfen weiter ... vor allem, wenn man höflich anfragt und um Hilfe bittet. Hier auch gleich nach den Kosten fragen – es fallen eine kleine Gebühr und natürlich die Portokosten an.

Der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids kann im Bürofachhandel/Schreibwarenladen gekauft werden. Soviel ich weiß, reichen Vordrucke aus dem Internet nicht aus – ein gekauftes Original ist ausschlaggebend. Neben dem schriftlichen Mahnantrag, gibt es auch die Möglichkeit des Online-Mahnantrages.

3) Online-Entschädigungs-Portal
Das wäre mein Plan B gewesen. Die Daten einem der günstigsten Portale übermitteln.

4) Anwalt kontaktieren
Es gibt Fachanwälte, die sich direkt mit Reiserecht beschäftigen und auskennen.

Fazit – unsere Erfahrung

Es gibt mehrere Möglichkeiten. Doch zunächst sollte man selbst aktiv werden. Der Aufwand hält sich in Grenzen und der Lerneffekt, der Nebenbei entsteht, ist groß. Ich habe ungefähr 3 - 5 Stunden für alles gebraucht - inkl. gründlicher Recherche und mehrmaligem Nachlesen. Dafür haben wir die Entschädigung in voller Höhe bekommen, statt noch eine Provision an ein Online-Entschädigungs-Portal abtreten zu müssen.

Ich hatte weder Papierkrieg noch umständliche Formulare auszufüllen – ging alles bequem per Mail. Als Dokumente habe ich lediglich das e-Ticket und die Bordkarte für den Ersatzflug, die Flugausfall-Bestätigung und das Schreiben als PDF beigefügt. Das erste schreiben dauert mit Abstand am längsten, danach geht es wesentlich schneller von der Hand. Wichtig wäre allerdings, sich an seine eigenen Fristen  zu halten. Obwohl es mir nicht gelungen ist, hat es am Ende trotzdem geklappt.

Was wir später mitbekommen haben ist, dass bei SATA öfters Flüge ausfallen. Die Airline ist relativ klein mit nur 7 Flugzeugen und hat (vermutlich) keine Ersatzflieger oder -crew. Auch die Inselflüge hatten oft eine kleine Verspätung. Geflogen wurden wir von Blue Air, einer Billig- und Charterfluggesellschaft aus Rumänien.
 
Die Mitarbeiter sind allerdings sehr korrekt und freundlich. Am Flughafen wurde sich sehr gut um alle Fluggäste gekümmert. Auch mit der Bearbeitung der Ausgleichszahlung bin ich trotzdem sehr zufrieden, auch wenn es etwas gedauert hat.